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> Unsere Bavaricals  

Bavaricals von Ulrich Kern

Die Geschichte der Bavaricals

Flyer 1996
Das Ganze begann 1995 mit einem Besuch der neu eröffneten Freiluft-Bühne in Tegernsee. Mit dabei war Till Schwalm, ein langjähriger Freund und Kollege vom Vogel-Verlag (wo wir die CHIP-Special-Reihe betreuten). Auf dem Programm stand "Birnbaum und Hollerstaudn" von Joseph Maria Lutz (der übrigens auch "Der Brandner Kaspar schaut ins Paradies" und den Text der Bayernhymne geschrieben hat). Wir waren hin und weg: Was da mein kleiner Bruder Florian Kern mit seinem Ensemble auf die Beine gestellt hat, war wirklich famos: Die Vorstellung, die Musik, die Stimmung, die Leidenschaft, das Ambiente - alles passte zusammen! An diesem Abend beschloss ich, wieder Theater machen zu wollen. Denn nach meinem Studium der Theaterwissenschaften hatte ich mich - von einer lockeren Mitarbeit in Georg Meier's Iberl-Bühne einmal abgesehen - völlig der gerade aufkommenden Computer-Faszination zugewandt. An diesem Abend also fassten wir (Flo, Till und ich) den Plan, im nächsten Jahr ein eigenes Stück auf die Beine zu stellen. Flo sollte Ensemble und Band zusammen stellen, Till das Marketing übernehmen und ich ein Stück mit Musik schreiben...

Die Wilderer vom Tegernsee



Im Winter 1995/96 entstand also das Stück. Ganz unter dem Eindruck des Klassikers "Der Jäger von Fall", wo ich als kleiner Bub hunderte Male meinen Vater auf der Bühne sterben und beim Schlussapplaus gottlob wieder leben sah, sollte es eine Satire auf all diese naiven Wilderer-Stücke werden. Und ganz besonderen Spass hat mir die Komposition der Lieder des Stüks gemacht. Schließlich habe ich mit dreizehn Jahren meine erste Beat-Band gegründet und dann später in Garmisch-Partenkirchen erste eigene Jazzrock-Stücke geschrieben und gespielt.

Ursprünglich war geplant, die Rolle des mürrischen Berg-Einsiedlers Loys (bei dem Namen stand mein damaliger CHIP-Kollege Loys Nachtmann Pate) unserem Vater, dem Volksschauspieler Lothar Kern auf den Leib zu schreiben. Leider wurde der in diesem Winter sehr krank, so dass an ein Mitwirken nicht zu denken war.

Unser Vater, der große Volksschauspieler "Lothar Kern" in seiner Paraderolle als "Filser" in Ludwig Thomas "Erster Klasse"


Leider viel zu früh verstorben: "Edi Bierling"
Aber wir hatten Glück: Mit Edi Bierling fanden wir nicht nur einen exzellenten Schauspieler, Edi war auch ein hervorragender Sänger und Musiker. Um der romantischen Lagerfeuer-Szene den rechten Glanz aufzusetzen, packte er seine verstaubte Geige aus und fidelte ein fröhliches G'stanzl. Am Ende hatten wir mit Marcus Größer (Florian), Tom Kress (Blasi), Eva Weise (Maria) und Florian Kern (Sebastian) eine wirklich hochkarätige Truppe zusammen.

Premiere war am 5. Mai 1996 im Ludwig-Thoma-Saal in Tegernsee. Die erste Freiluft-Aufführung fand am 12. Juli 1996 statt. Das Wetter spielte - ausnahmsweise - mit und die Vorstellung war ein großer Erfolg.
Premieren-Kritik 1996




Flyer von 1997
Edi Bierling als "Alb"

Die Nacht der Geister


Das gab uns Mut, und so wurde für das nächste Jahr eine Erweiterung geplant: Einerseits sollten die Wilderer weiter gespielt werden, und andererseits wollten wir natürlich mit einem neuen Stück aufwarten. Zu meinen absoluten Lieblingsstücken zählt der "Sommernachtstraum" von William Shakespeare. Romantik und Ironie, Tiefgang und Klamauk - in Shakespeares Klassiker findet sich alles im Überfluss. Aus diesem Füllhorn habe ich das Zusammentreffen von Menschen und Geistern übernommen sowie das Theater im Theater (mein Lieblings-Thema). Und der große Meister selbst, also William Shakespeare, führt die Zuschauer durch den Abend.

Stefan Striegl und Eva Weise
als "Stefan" und "Afra"
Nachdem sich die Sopranistin Katrin Haube (Mitglied im Chor der Bayerischen Staatsoper) bereit erklärt hatte, die Rolle der Diana zu übernehmen, konnte ich erstmals ein klassisch angehauchtes Lied schreiben (Daddy...). Florian Kern glänzte in der Doppelrolle "Shakespeare" und "Hannes", und Edi Bierling durfte als der gro?e Berggeist "Alb" aus voller Herzenslust singen und granteln.

Leider ist die Kritik der Premiere vom nicht mehr auffindbar. Dafür gibt es hier eine Original-Kassetten-Aufnahme des Liedes "Daddy", gesungen vom Katrin Haube, begleitet am Klavier von Ulrich Kern.
Daddy, du hast mir nie erzählt,
Wie es wirklich zugeht auf der Welt.
Daddy, du nahmst mich an der Hand,
Führtest mich durch's Kinderland.
Doch dieses Land ist nicht echt.
Die Welt ist schlecht und ungerecht.
Ich bin allein, ganz allein...

Daddy, du hast mir nie erzählt,
Wie abscheulich sich ein Mann verhält.
Daddy, du hast mir nicht gesagt,
Daß ein Mädchen keine Chancen hat,
Wenn es sich nicht selbst genügt,
nicht selbst betrügt und nicht fügt.
Ich bin allein, ganz allein...

Männer gehören alle erschossen,
Mit Pech und Schwefel übergossen!
Männer gehören alle gehenkt
Oder wie Katzen einfach ertränkt!
Daddy, du hast mit mir gelacht,
Doch nichts für's Leben beigebracht.
Daddy, du hast mich so umsorgt,
Doch war der Frieden nur geborgt.
Denn, überall zählt nur der Mann,
Was ich auch kann - es kommt nicht an.
Ich bin allein, ganz allein...

Männer gehören alle erschossen,
Mit Pech und Schwefel übergossen!
Männer gehören alle gehenkt
Oder wie Katzen einfach ertr?nkt!

Männer gehören alle erschlagen,
Wie grüner Schimmel abgetragen.
Männer gehören alle gepfählt,
Langsam und sicher zu Tode gequält.

Ach Daddy...

Übrigens weigerte sich Katrin - als fürsorgliche Katzenfreundin - die letzte Zeile des Refrains zu singen. Deshalb werden bei ihr die Männer im Klo versenkt!




Flyer 1998

Der Haderlump



Mit dem nächsten Stück "Der Haderlump" hat es eine ganz besondere Bewandtnis: 1997 feierte unsere Mutter, die Volksschauspielerin Amsi Kern, ihr 60-jähriges Bühnenjubiläum. Zu diesem Anlass wollten wir ihr eine kleine Hommage in Form eines Stückes schenken. In ihren wortgewaltigen Erzählungen tauchten immer wieder ihre Erinnerungen an ihre Einsätze im Fronttheater in Rußland (1943) auf. So lag es nahe, dies als Ausgangsstoff für ein Stück zu verwenden, das 1959 spielt und in dem es in erster Linie um das Theater geht, neben inneren und äußeren Kriegsverletzungen. Freilich sollte das Stück nicht allzu sehr ins dramatische abgleiten, und deshalb bringt eine vierköpfige Jugend-Gang aus Giesing frischen Wind in die Szene.
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Jessica Kern als "Vroni" im "Haderlump"
Unsere Mutter war natürlich Ehrengast bei der Premiere und wurde am Ende vom ganzen Saal stürmisch gefeiert. Ganz besonders stolz war sie auf ihre Enkelin (und meine Tochter) Jessica Kern, die im "Haderlump" mit gerade 15 Jahren als "Vroni" ein furioses Debüt gab. Innerhalb kürzester Zeit spielte und sang sie sich in die Herzen der Zuschauer.



Der Almen-Rausch

Sylvia Haas, Ulrike Dostal und Christine Sperber vor dem Rausch 2021
Uli beim üben mit dem Publikum 2019

Flyer 2021


Florian Kern schreibt an dieser Stelle weiter:

Das vierte Stück meines großen Bruders Uli ist der "Almen-Rausch", eine witzige Comedy-Show mit lustigen Szenen, aber mit stringenter Handlung. Die Premiere war im Sommer 2000 im Garten des Hotels zur Post in Kreuth. Unsere romantisch gelegene Freilichtbühne in Tegernsee stand uns leider nicht mehr zur Verfügung, sie musste einem Eislaufplatz weichen. Ja, damals ging das im Winter noch! Am Premierentag war das Wetter leider schlecht, aber glücklicherweise konnten wir in den Saal des Hotels ausweichen. Das war ein großer Vorteil dort. In Tegernsee war der Ludwig-Thoma-Saal zu weit von der Freilichtbühne entfernt - wir mussten uns immer spätestens bis 17:00 Uhr entscheiden, wo wir spielen. Aber die meisten der 12 Vorstellungen fanden im Freien statt! Dort konnten wir immer ein echtes Lagerfeuer entfachen, und mein Bruder liebte die Lagerfeuer-Romantik.

Ich kann mich noch an die etwas nervenaufreibenden Proben erinnern. Wir standen so unter Zeitdruck, dass ich z.B. mein Lied vom "G'schäft" nur einen Tag vor der Premiere zum ersten Mal üben konnte. Für meine Nichte Jessi - für sie hatte er erneut eine Rolle geschrieben - war es noch spannender. Sie sang ihr Lied "Blöde Kuah" erstmals während der Vorstellung! Aber das meisterte sie mit Bravour und ließ ihre Wut über den Vorbereitungsstress in die Interpretation einfließen. Uli hatte sich die trotzige Olivetta wahrscheinlich genauso vorgestellt... Das übrige Ensemble bestand wieder einmal aus der eingespielten Truppe der letzten Bavaricals. Nur für den Alpenmaler Picasso kam Andreas Schwaiger dazu.

Eine der Vorstellungen besuchte auch unsere Mutter Amsi Kern als Zuschauerin. Sie war so begeistert, dass sie mich am nächsten Tag sehr früh anrief und meinte: "Des Stückl miasst's ihr unbedingt auf Tournee spuin!"

Jetzt, nach über 20 Jahren, spielen wir den "Almen-Rausch" immer noch - mit einer enthusiastischen Besetzung halten wir Ulis Stücke in Ehren.

Er fehlt uns...